Pais Vasco
Pais Vasco ist der spanische Name fĂĽr das Baskenland, wo es mich aus Zufall mal hin verschlagen hat. Und das kam so:
An einem sonnigen Freitag im Juli am Vormittag sitze ich im Büro mit meinem Chef zusammen und er erzählt mir, dass es bei einer Anlage von uns in Spanien massive Probleme gibt. Ein
Leistungstest musste abgebrochen werden, eine Produktion war nicht möglich. Der Kunde ist sehr verärgert. Die Anlage war in Vitoria, der Hauptstadt vom Baskenland. Ich grinste etwas vor mich hin, denn ich ahnte,
worauf er hinaus wollte. Außerdem wusste ich schon aus Malte Roepers Buch „Strategie und Müßiggang“, das über einen etwas missglückten Autoverkauf von Kletterern nach Spanien handelt, dass man in der Nähe
von Vitoria gut klettern kann und die Stadt Vitoria selber auch nicht schlecht sei. Zudem bin ich ein groĂźer Fan von Spanien, kann ein bisschen die Sprache und bin immer wieder beeindruckt von der immensen Weite
der spanischen Landschaft. Es kam, wie ich es mir gedacht hatte. Er fragte mich „Was grinst Du denn so? Magst Du etwa hinfahren nach Spanien?“ „Freilich!“ antwortete ich, „Wenn Du mir noch einen Tag frei
gibst in Spanien, fahr ich hin.“ „Na ja, schauen wir mal.“ Nachmittags dann beim nächst höheren Chef im Büro, wieder die gleiche Frage an mich, ob ich hinfahren könnte. Ich antworte wieder genauso „Ja,
wenn Du mir noch einen Tag frei gibst in Spanien.“ „Ja, in Ordnung, kriegst Du. Dein Flug geht morgen Vormittag.“ Am Samstag?! Da wird die Familie ja nicht begeistert sein. Aber gut, dann los. Mit dem
Klettern wird’s zwar allein nicht ganz einfach werden, da ich im Gegensatz zu Malte dort keinen Menschen kenne. Aber vielleicht treffe ich ja jemanden, wenn nicht, kann ich zumindest etwas bouldern. Also packe ich Gurt, Schuhe und Chalkbeutel ein.
Dummerweise war kein Flug mehr nach Vitoria zu bekommen, dafĂĽr aber nach Pamplona. Ihr wisst schon, da wo bei der Fiesta de San Fermin immer ein Haufen wilder Stiere hinter
Hunderten von Menschen durch die Gassen rennen. Die meisten sind wohl Amerikaner, weil Hemingway vor 40 Jahren mal ein Buch drĂĽber geschrieben hat. Dieses Jahr hat es auch
mal wieder zwei Schwerverletzte gegeben. Ein Mietwagen war Samstag Abend nicht mehr zu bekommen, die Taxifahrt nach Vitoria kostete 110 Euro. Der Taxifahrer klärte mich über
die Basken auf und über ihre eigene Sprache, das Euskarri, dass mit keiner anderen mitteleuropäischen Sprache auch nur irgendetwas gemeinsam hat. Erkennen tut man’s an
der Fülle von X’en und K’as in fast jedem Wort.
Ein Vorurteil muss ich hier noch mal klarstellen. Nämlich, dass es im Sommer in Spanien warm ist. Nein, es ist kühl in Spanien im Sommer, eher sogar kalt. Zumindest im Norden
Spaniens und ganz bestimmt im Baskenland. Die Höchsttemperatur über Tag betrug so etwa 18°C bei immer dick bewölktem Himmel und gelegentlichen Schauern. Es gab nur einen
Tag, wo ich abends mit zwei Monteuren im Straßencafe saß und wir den vollbusigen baskischen Mädchen nachgucken konnten.
Drei Tage rödelte ich bei Pepsico Vitoria und baute einiges um. Ich hatte meine Arbeit so weit zum Abschluss gebracht. Jetzt mussten nur noch die kritischen Produkte wieder
produziert werden, was leider nicht der Fall war. So nahm ich also einen Tag vor dem RĂĽckflug meinen versprochenen freien Tag. Auf der Homepage des spanischen
Klettermagazins desnivel hatte ich schon die genaue Lage der Felsen bei Eguino herausgebracht. Malte Roeper war mit seinen spanischen Spezln hier ĂĽbrigens auch klettern,
wie in seinem schon oben erwähnten Buch nachzulesen ist. Nachdem ich den Weg dann später auch wirklich gefunden hatte, traf ich links von einer riesigen Höhle zwei spanische
Kletterer aus San Sebastian. Eine Frau, jung und hübsch, und ein älterer Mann. Wir kletterten zwei leichtere Routen in sehr griffigem Kalk zusammen und ich machte noch etwas freesolo. Sie erklären mir den Weg zu den Los Monolithos, einer Fülle von
freistehenden spitzen Kalkfelsen mit bis zu 50 m Höhe. Der Fels sei jedoch schon etwas abgeschmiert in den leichteren Routen und für’s Soloklettern wär’s auch nix, weil man nur
durch abseilen wieder runterkommt, gab mir der ältere Mann, der schon auf allen Pyrenäengipfeln gestanden hatte und auch genauso aussah, zu bedenken. Ich bin trotzdem
hin, und hätte auf der ausgewaschenen Schotterstraße fast noch den Mietwagen ruiniert. Die Monolithos sind schon klasse. Der Fels erinnerte mich von der Struktur und der Glätte
her sehr an das AltmĂĽhltal. Die Spanier haben hier neben vielen harten freeclimbs bis 8c auch etliche Technorouten kreiert, die mit winzigen und schauerlich rostigen
Blechlaschen durch überhängende Wände verlaufen, deren Struktur der eines Babypos gleicht. Bouldern konnte man auch prima, und durch die Schluchten zwischen den Türmen zu streifen war ein reines Vergnügen.
Am nächsten Tag ging früh um zehn vor sieben mein Heimflug und ich wusste nicht, ob ich das Baskenland je wiedersehen würde. Gefallen hat es mir schon da. In einer Bar, in der die
Monteure und ich fast jeden Abend zumindest mal kurz waren (es gab dort Franziskaner WeiĂźbier!), wurde ich von einer Bedienung am letzten Abend sogar mit zwei KĂĽsschen verabschiedet.
Ulrich Schlieper, August 2002
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